Maranatha Media: German

An den Grenzen von Kanaan

veröffentlicht Apr 21, 2023 von Ellen White in Der Charakter Gottes
Übersetzt von Robert Jahns
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(Signs of the Times, 13. Januar 1881)

Der Herr verkündete Mose, dass die Zeit für die Befreiung Israels gekommen sei, und als der alte Prophet auf den Höhen über dem Jordan und dem verheißenen Land stand, blickte er mit großem Interesse auf das Erbe seines Volkes. Die weite, gartenähnliche Ebene mit ihrem satten Grün und den gefiederten Palmen breitete sich einladend vor ihm aus, und er verspürte eine tiefe Sehnsucht, mit Israel das Land in Besitz zu nehmen, das so viele Jahre lang das Ziel ihrer Bemühungen und ihrer Hoffnungen gewesen war.

Wäre es möglich, dass die Strafe (das Urteil), die wegen seiner Sünde in Meriba über ihn verhängt worden war - der einzige Makel, der ein Leben treuer und hingebungsvoller Dienste trübte -, aufgehoben werden könnte? Mit tiefem Ernst flehte er: „O Herr, Gott, Du hast begonnen, Deinem Knecht Deine Größe und Deine mächtige Hand zu zeigen; denn welcher Gott ist im Himmel oder auf Erden, der nach Deinen Werken und nach Deiner Macht tun kann! Ich bitte Dich, lass mich hinübergehen und das gute Land jenseits des Jordans sehen, den schönen Berg und den Libanon.“ 

Die Antwort lautete: „Lass es dir genügen; sprich nicht mehr zu Mir von dieser Sache, hebe deine Augen auf nach Westen und nach Norden und nach Süden und nach Osten und sieh es mit deinen Augen, denn du wirst nicht über diesen Jordan gehen.“

Ohne zu murren oder zu klagen fügte sich Mose demütig in die Anordnung Gottes; und nun galt seine große Sorge Israel. Wer wird das Interesse für ihr Wohlergehen empfinden, das er empfunden hat? Wer wird die gleiche unermüdliche, selbstlose Hingabe an den Tag legen? Aus vollem Herzen spricht Mose das Gebet: „Der Herr, der Gott der Geister allen Fleisches, setze einen Mann über die Gemeinde, der vor ihr hergeht und sie hinausführt und sie hineinbringt, damit die Gemeinde des Herrn nicht wie Schafe sei, die keinen Hirten haben.“

Hier zeigte sich derselbe Geist der Selbstlosigkeit, derselbe Eifer für die Ehre Gottes und dasselbe Interesse am Wohlergehen des Volkes, für das er sorgte, im Leben von Mose. Der alte Führer hatte nicht für sich selbst, sondern für Israel gelebt. In der Geschichte der großen Männer der Erde - der Könige, Staatsmänner oder Philosophen - findet sich keine Parallele zu dieser Selbstaufopferung und Hingabe.

Der Herr erhörte das Gebet Seines Knechtes, und die Antwort kam: „Nimm dir Josua, den Sohn Nuns, einen Mann, in dem der Geist ist, und lege deine Hand auf ihn und stelle ihn vor Eleasar, den Priester, und vor die ganze Gemeinde, und gib ihm ein Amt vor ihren Augen. Und du sollst etwas von deiner Ehre (Würde/Anerkennung) auf ihn legen, damit die ganze Gemeinde Israel ihm gehorsam sei.“

Josua hatte Mose lange Zeit begleitet, und da er ein Mann von Weisheit und Geschick, von Glauben und Frömmigkeit war, wurde er zu seinem Nachfolger bestimmt. Mose sollte Josua über die Verantwortlichkeiten seiner Position als sichtbarer Führer Israels belehren und ihm versichern, dass der Herr immer sein Ratgeber und seine Unterstützung sein würde, wenn er Seinem heiligen Vertrauen treu sein würde. 

Durch die Handauflegung des Mose und eine äußerst eindrucksvolle Verantwortungsverpflichtung (-übertragung) wurde Josua feierlich zum Führer Israels ernannt. Ihm wurde auch Anteil an der Regierung (Führung/Leitung) übertragen, um dem Volk zu zeigen, dass Mose nicht eifersüchtig war auf den Gedanken, dass ein anderer seinen Platz einnehmen und Israel in das verheißene Land führen sollte. Mose wies das Volk an, Josua zu respektieren und erweckte in ihnen das Vertrauen in ihn als den Mann, der von Gott als sein Nachfolger bestimmt worden war. Das Wort des Herrn erging durch Mose an die Gemeinde: „Er soll vor Eleasar, den Priester, treten, der ihn nach dem Urteil der Urim vor dem Herrn um Rat fragen soll. Auf sein Wort sollen sie hinausgehen, und auf sein Wort sollen sie hineingehen, er und alle Kinder Israel mit ihm, die ganze Gemeinde.“

Die Stellung Josuas unterschied sich in mancherlei Hinsicht von der des Mose. Letzterer war nicht nur ein Prophet und ein Herrscher in Israel, sondern er amtierte auch als Hohepriester und fragte Gott selbst um Rat. Aber nach Mose war es weder Josua noch irgendeinem anderen Herrscher Israels erlaubt, zum Herrn zu kommen, außer durch den Hohepriester.

Auf Gottes Geheiß versammelte Mose das Volk und unterwies es über den Weg, den es bei seinem Einzug in das verheißene Land einschlagen sollte: „Wenn ihr über den Jordan in das Land Kanaan eingezogen seid, dann sollt ihr alle Bewohner des Landes vor euch her vertreiben und alle ihre Bilder und gegossenen Figuren zerstören und alle ihre Höhen abreißen. Und ihr sollt die Bewohner des Landes enteignen und darin wohnen; denn Ich habe euch das Land gegeben, damit ihr es in Besitz nehmt."

Der Triumph des Bösen ist kurz. Die Freuden der Sünde werden immer mit einem enormen Preis erkauft; denn der Zorn Gottes schwebt ständig über dem Sünder, und am Ende wird er in der Tat lernen, dass es eine schreckliche Sache ist, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Jede verdorbene Leidenschaft, jedes falsche Gefühl oder jede sündige Handlung entehrt nicht nur Gott, sondern bringt auch Schuld und Elend über uns selbst. Nur in der Kraft Gottes kann es uns gelingen, die Feinde unserer Seelen zu besiegen. Während die Feinde Christi als Agenten Satans ständig am Werk sind, um uns zur Sünde zu verführen, müssen wir ihren Vorstößen entschlossen widerstehen und Gott um Rat und Hilfe bitten. Jedes sündige Verlangen muss unterdrückt, jeder falsche Charakterzug überwunden werden, sonst werden sie uns zum Verhängnis. Gott verlangt von Seinem Volk, sich von der Sünde und den Sündern zu trennen und ihre Gesellschaft nur dann zu wählen, wenn es eine Gelegenheit gibt, ihnen Gutes zu tun. Wir können nicht entschlossen genug sein, die Gesellschaft all derer zu meiden, die in irgendeiner Weise einen Einfluss auf uns ausgeübt haben, um uns in die Sünde zu ziehen. Niemand wird mit größerer Strenge bestraft werden als diejenigen, die das Volk Gottes von seiner Rechtschaffenheit abgehalten haben. Jede natürliche Charaktereigenschaft sollte unter die Kontrolle des Willens gebracht werden, und dieser muss selbst in Harmonie mit dem Willen Gottes gehalten werden. Es ist eine der größten Täuschungen, die dem Verstand unterlaufen kann, wenn wir uns einbilden, dass wir barmherziger oder gerechter sind als Gott. Der Mensch ist impulsiv und wandelbar. Selbst die besten Handlungen, die vom natürlichen Herzen ausgehen, sind fehlerhaft. Und wie wahr ist das Zeugnis der Heiligen Schrift, dass „die Barmherzigkeit der Gottlosen grausam ist“. Unser einziger sicherer Weg ist zu verurteilen, was Gott verurteilt, und zu schätzen, was er schätzt. Hätte der Herr die Bewohner Kanaans verschont, wären die Israeliten ständig in Gefahr gewesen, sich anzustecken. Die äußeren Zeichen heidnischer Anbetung hätten einen Einfluss gehabt, die Sinne zu verderben und die Diener Gottes in den Götzendienst zu führen. Daher die wiederholte Aufforderung an sie, die Kanaaniter mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu vertreiben, und zwar so schnell, wie sie sie unterwerfen konnten. Die Israeliten durften nicht der Feigheit, der Trägheit oder der Selbstgefälligkeit nachgeben und ihre Vorstellungen von Milde nicht gegen das Gebot Gottes stellen. Sie sollten sich nicht den Sitten der Heiden anpassen und auch nicht die Denkmäler ihrer abscheulichen Götzendienste bewahren. Wie kostbar das Material auch sein mochte und wie exquisit die Ausführung auch sein mochte, alles, was mit dem heidnischen Kult zu tun hatte, musste zerstört werden. Gott kannte die Gefahren, denen sein Volk ausgesetzt sein würde. Satan würde durch diese verderbten Götzendiener wirken, um Israel zu vernichten, und die Versuchung würde sie mit der ganzen Anmut der Manier und der Faszination der Kunst ansprechen. Nur wenige erkennen die Macht Satans zu verführen und in die Irre zu führen. Sogar in den Tagen Israels war es seit Jahrtausenden sein ständiges Bestreben, den Weg ins Verderben leicht und einladend zu machen. In diesem höllischen Werk beschäftigt der große Widersacher zahllose Mitarbeiter, um unachtsame Füße weg von Gott, weg vom Himmel zu locken. Angesichts all dieser Verlockungen in die falsche Richtung hat der Herr Sein Volk sorgfältig belehrt, wie es sich verhalten soll, um der Versuchung zu widerstehen. Die scheinbare Strenge, mit der Gott gegen die Kanaaniter vorging, beruhte nicht, wie viele vermuten, auf Härte oder Grausamkeit. Die Liebe Gottes übersteigt unser Vorstellungsvermögen; sie ist so hoch wie der Himmel und so weit wie das Universum. Jede Seele, die Er erschaffen hat, ist in Seinen Augen kostbar - so kostbar, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gab, um für diesen verlorenen, verderblichen Sünder zu sterben. Wenn die Menschen ihren Mitgeschöpfen gegenüber eine Liebe zeigen, die höher ist als diese, dann können sie von Barmherzigkeit sprechen, wo Gott Strenge geübt hat.


Die Kinder Israels hatten durch ihre eigene bittere Erfahrung gelernt, dass der erste Schritt, der bei der Abkehr von Gott getan wird, den nächsten Schritt leichter macht, während der Weg zur Rückkehr so schwierig wird wie die eisbedeckten Steilhänge für den betäubten Reisenden sind. Unseren ersten Eltern schien es eine Kleinigkeit zu sein, nur eine kleine Handlung zu tun, die Gott verboten hatte, nämlich von dem verbotenen Baum die Frucht zu nehmen, die für das Auge so verlockend und für den Geschmack so angenehm war; aber durch diese eine Handlung verwarfen sie ihre Treue zu Gott, dem großen Gesetzgeber, und öffneten der Welt die Schleusen des Elends. Gott allein kann das Übel ermessen, das sich aus einem falschen Schritt ergeben kann - ein Übel, das die verführte Seele im kritischen Augenblick nicht bedenkt. Der einzige Schutz für den schwachen, irrenden Menschen besteht darin, ohne Zögern oder Argumente dem ausdrücklichen Willen Gottes zu gehorchen, ungeachtet aller Versprechungen von Vergnügen oder Gewinn als Belohnung für die Sünde. Wenn Gott spricht, ist es genug.


Der Herr hat Seinem Volk in barmherziger Weise die schrecklichen Folgen vor Augen geführt, die sich aus der Verbindung mit den götzendienerischen Kanaanitern ergeben würden: „Wenn ihr aber die Bewohner des Landes nicht vor euch her vertreibt, so wird es geschehen, dass die, die ihr von ihnen übriglasst, euch Stacheln in den Augen und Dornen in der Seite sein werden und euch in dem Land, in dem ihr wohnt, plagen werden. Und es wird geschehen, dass Ich euch tun werde, wie Ich ihnen zu tun gedachte.“ Durch die Vermischung mit den Heiden würde sich Israel von Gott entfremden und schließlich denselben Weg einschlagen, der Seinen Zorn gegen die Kanaaniter hervorgerufen hatte.

Die Nachgeschichte von Gottes auserwähltem Volk zeigt, dass diese Warnungen echte Prophezeiungen waren, die sich in eindrucksvoller Weise erfüllt haben. Die Israeliten gehorchten dem Gebot Gottes nur teilweise, und viele Generationen lang wurden sie von einem Überrest des götzendienerischen Volkes heimgesucht, der, wie die Propheten vorausgesagt hatten, als „Stachel in ihren Augen und als Dorn in ihrer Seite“ verschont wurde. 

Eine zusätzliche Warnung und Belehrung in diesem Punkt wurde Israel später vom Herrn durch Seinen Diener Josua gegeben: „So seht euch nun vor, dass ihr den Herrn, euren Gott, liebt. Wenn ihr sonst irgendwie zurückweicht und euch an die Übriggebliebenen dieser Völker hängt, die noch unter euch sind, und mit ihnen Ehen schließt und zu ihnen hineingeht und sie zu euch, so wisst gewiss, dass der Herr kein einziges dieser Völker mehr vor euch vertreiben wird, sondern sie werden euch Schlingen und Fallen sein und Geißeln in euren Seiten und Dornen in euren Augen, bis ihr umkommt aus diesem guten Land, das der Herr, euer Gott, euch gegeben hat." 

Sollten sie mit diesen Völkern, die unter dem Fluch Gottes stehen, freundschaftliche Beziehungen eingehen, würden die Hebräer durch die Künste der götzendienerischen Frauen betört und verführt werden und sich dazu verleiten lassen, Ehen mit ihnen zu schließen. Der ganze Einfluss dieser heidnischen Frauen würde genutzt werden, um das Volk Gottes zum Götzendienst zu verleiten, und so würden sich die Machenschaften Satans als erfolgreich erweisen. Der Herr würde Sein Volk dazu bringen, die Kanaaniter als Feinde Israels und Gottes zu betrachten - Feinde, die ständig auf der Suche nach einer Gelegenheit wären, sich für ihre eigene Niederlage zu rächen. Unter der Bedingung, dass Israel Gott treu blieb, würde Seine Macht zu ihren Gunsten offenbart werden und die gnädige Verheißung lautete: „Ein Mann von euch wird Tausend jagen, denn der Herr, euer Gott, ist es, der für euch kämpft, wie Er es euch verheißen hat." Aber wenn sie den Herrn provozierten, indem sie sich von Ihm trennten, würde Er Seinen Schutz zurückziehen und diese Nationen zu Werkzeugen machen, um sie zu züchtigen und zu ihrer Treue zurückzubringen. Sollten sie sich weiterhin von Gott abwenden, würde Er die Grausamkeiten dieser bösen Nationen nicht zurückhalten, und sie würden Israel schwer quälen und schließlich aus ihren Besitzungen vertreiben.

Wenn sich das Volk Gottes in einem Zustand äußerer Sicherheit und Bequemlichkeit befindet und mit allen irdischen Segnungen umgeben ist, besteht die größte Gefahr, dass es seinen ständigen Wohltäter vergisst. Dies ist die besondere Gefahr für alle, die Gott mit Mitteln oder Einfluss gesegnet hat. Alle unsere Kräfte sollten immer eifrig im Dienst unseres Schöpfers eingesetzt werden; doch wie viele lassen sich durch weltliche Verbindungen von diesem Ziel ablenken. Der Herr hat Sein Volk wiederholt davor gewarnt, sich mit denen zu vermischen, die die Furcht Gottes nicht vor Augen haben. Während wir beten: „Führe uns nicht in Versuchung“, sollen wir die Versuchung so weit wie möglich meiden. Wir müssen dem göttlichen Wort in jedem Punkt gehorchen, wenn wir die Kraft des Gottes Israels als unsere Stütze und unseren Schutz haben wollen.  (ST Januar 13, 1881, par 1-21)

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