Sünde zum Tode / Die unvergebbare Sünde
Darum sage ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden; aber die Lästerung des Geistes wird den Menschen nicht vergeben werden. Und wer ein Wort redet gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; wer aber gegen den Heiligen Geist redet, dem wird nicht vergeben werden, weder in dieser Weltzeit noch in der zukünftigen. (Matthäus 12,31.32)
Wahrscheinlich ist kein anderer Text in der Bibel Gegenstand von mehr Spekulationen gewesen oder wurde mehr missverstanden als dieser. Viele ehrliche, gewissenhafte Menschen sind fast verzweifelt bei dem Gedanken, dass sie sich der hier erwähnten Sünde schuldig gemacht haben, und das nur, weil sie eine falsche Vorstellung davon bekommen haben, was diese Sünde ist. Obwohl es in dieser Hinsicht so viele Missverständnisse gibt, glauben wir, dass man sie recht leicht verstehen kann, wenn man den Zusammenhang und die Paralleltexte betrachtet. Jedes Wort, das unser Heiland gesprochen hat, war zeitgemäß und wurde auf die damaligen Umstände angewandt; das ist der Grund, warum es zu allen Zeiten anwendbar ist. Wenn wir also eines Seiner Worte richtig verstehen wollen, müssen wir den Anlass berücksichtigen, der sie hervorgerufen hat.
Wenn wir den Kontext beachten, werden wir feststellen, dass die zitierten Worte hervorgerufen wurden durch die Haltung der Pharisäer zu einem bemerkenswerten Wunder, das Jesus getan hatte. Er hatte einen Besessenen geheilt, der sowohl blind als auch stumm war, so dass der Mann nicht nur bei klarem Verstand war, sondern „sowohl redete als auch sah“. Das Volk war erstaunt, aber die Pharisäer sagten verächtlich und lästerlich: „Dieser treibt die Dämonen nicht anders aus als durch Beelzebul, den Obersten der Dämonen!“ Matthäus 12,24. Anstatt Gott zu preisen, durch dessen Geist diese wunderbare Tat geschah, beschuldigten sie Christus, einen Teufel zu haben, mit dessen Hilfe Er die Wunder wirkte.
Dass diese Anschuldigung in jenem Fall die unvergebbare Sünde darstellte, geht aus dem Paralleltext bei Markus hervor. Dieser Evangelist gibt die Worte unseres Erlösers über die Unvergebbarkeit der Sünde gegen den Heiligen Geist wieder und fügt hinzu: „Denn sie sagten: Er hat einen unreinen Geist.“ Markus 3,30. So erkennen wir ohne weitere Untersuchung, dass diese Sünde darin besteht, das Wirken des Heiligen Geistes dem Teufel zuzuschreiben.
Aber es ist nicht allein durch Worte, dass Menschen diese Sünde begehen können, genauso wenig wie jede andere Sünde. Paulus spricht von einigen, die „geben vor, Gott zu kennen, aber mit den Werken verleugnen sie Ihn, da sie verabscheuungswürdig und ungehorsam und zu jedem guten Werk untüchtig sind“ Titus 1,16. Ein Untüchtiger ist jemand, der verworfen ist, der unheilbar gesündigt hat; jemand, der den Geist Gottes verworfen hat, indem er so lange gesündigt hat, bis er so verdorben ist, dass der Geist nichts Gutes mehr in ihm wirken kann. Dies wird im vorhergehenden Vers angedeutet, der von denen, die „zu jedem guten Werk untüchtig sind“, sagt, dass „sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen befleckt sind.“ So schreibt Paulus an Timotheus über die Menschen in der Endzeit, die „Menschen mit völlig verdorbener Gesinnung, untüchtig zum Glauben“ sind. 2.Timotheus 3,8.
Dies war der Zustand der vorsintflutlichen Welt. In der Überlieferung heißt es: „Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht für immer mit dem Menschen rechten, denn er ist [ja] Fleisch; so sollen seine Tage 120 Jahre betragen!“ „… aber der Herr sah, daß die Bosheit des Menschen sehr groß war auf der Erde und alles Trachten der Gedanken seines Herzens allezeit nur böse, …“ 1. Mose 6,3.5. Es gab eine Zeit, in der die Menschen in der vorsintflutlichen Zeit nicht gänzlich schlecht waren; es gab eine gewisse Spur des Gesetzes in ihren Herzen (Römer 2,15), und deshalb gab es etwas in ihnen, auf das der Geist einwirken konnte, um sie von der Sünde zu überzeugen; denn das Schwert des Geistes ist das Wort Gottes, und es kann nur dann einen Eindruck auf die Menschen machen, wenn sie eine gewisse Erkenntnis der Wahrheit und des Rechts besitzen. Aber die Menschen vor der Sintflut widerstanden dem Werben des Geistes. Die Sünde hat die Tendenz, sich zu multiplizieren und jeden Sinn für das Gute zu ersticken; und so wurden diese Menschen durch wiederholtes Unterdrücken jedes guten Impulses so verdorben, dass sie keinen einzigen guten Gedanken hatten. Es gab keine Möglichkeit, sie zu bessern, und so wurden sie abgeschnitten.
In allen Fällen, in denen die Gerichte Gottes über Menschen gekommen sind, geschah dies, weil es keine Möglichkeit ihrer Bekehrung gab; sie hatten, kurz gesagt, die unvergebbare Sünde begangen. Dies war der Fall bei den Menschen vor der Sintflut, bei den Sodomitern, bei den bösen Bewohnern Kanaans (siehe 1.Mose 15,16), welche vernichtet wurden, um Platz für die Israeliten zu schaffen, und schließlich auch bei vielen Menschen aus dem Volk Israel. Der heilige Geschichtsschreiber sagt:
Auch alle Obersten der Priester samt dem Volk versündigten sich schwer nach allen Greueln der Heiden und verunreinigten das Haus des Herrn, das er geheiligt hatte in Jerusalem. Und der Herr, der Gott ihrer Väter, sandte ihnen Seine Boten, indem Er sich früh aufmachte und sie immer wieder sandte; denn Er hatte Erbarmen mit Seinem Volk und Seiner Wohnung. Aber sie verspotteten die Boten Gottes und verachteten Seine Worte und verlachten Seine Propheten, bis der Zorn des Herrn über Sein Volk so hoch stieg, daß keine Heilung mehr möglich war. (2.Chronik 36,14-16)
„… daß keine Heilung mehr möglich war“, heißt, ihre Sünde war unvergebbar. Da Gott den Menschen diese Existenz nur gegeben hat, damit sie sich auf eine bessere und ewige Existenz vorbereiten, folgt daraus, dass, wenn sie sich völlig weigern, Gottes Plan für sie anzunehmen und sich ganz dem Bösen hingeben, es keinen Sinn hat, ihre Existenz länger fortzusetzen. Sie sind weder für sich selbst noch für irgendjemand anderen von Nutzen. Wie Bäume, die nur Dornen statt Früchte tragen, werden sie als Schädlinge des Bodens abgeschnitten. Ihre weitere Existenz würde dem Boden, der etwas Nützliches hervorbringen könnte, nur schaden. Hier ist also eine weitere Möglichkeit, wie Menschen die unvergebbare Sünde begehen können.
Ein weiterer Weg wird durch Paulus an die Hebräer aufgezeigt. Das betrifft vor allem die, die einmal ein Bekenntnis abgelegt haben. Der Apostel sagt:
Denn es ist unmöglich, die, welche einmal erleuchtet worden sind und die himmlische Gabe geschmeckt haben und Heiligen Geistes teilhaftig geworden sind und das gute Wort Gottes geschmeckt haben, dazu die Kräfte der zukünftigen Weltzeit, und die dann abgefallen sind, wieder zur Buße zu erneuern, da sie für sich selbst den Sohn Gottes wiederum kreuzigen und zum Gespött machen! (Hebräer 6,4-6)
Wir haben nicht den Raum, um in die Einzelheiten zu gehen und genau zu beschreiben, wie die Menschen Christus wiederum kreuzigen; aber es genügt zu wissen, dass hier die unvergebbare Sünde vor Augen geführt wird, denn es ist eine Sünde, die nicht bereut werden kann. Wir sagen „die unvergebbare Sünde“, weil wir verstehen, dass es nur eine einzige gibt, obwohl es viele verschiedene Arten geben kann, sie zu begehen. Johannes sagt: „Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tode, so soll er bitten, und Er wird ihm Leben geben, solchen, die nicht zum Tode sündigen. Es gibt Sünde zum Tode; daß man für eine solche bitten soll, sage ich nicht.“ 1.Johannes 5,16. Alle Sünden bringen, wenn sie nicht bereut werden, den Tod; aber es gibt eine Sünde, die nicht bereut werden kann, und deshalb ist es nicht nötig, für sie zu beten wie für andere Sünden.
Jetzt können wir verstehen, was der Apostel meint, wenn er zu den Hebräern sagt, dass es unmöglich ist, wenn einige abfallen, sie zur Buße zu erneuern. Was meint er mit: „die dann abgefallen sind“? Meint er damit, dass einem Christen, der in Sünde fällt, nicht vergeben werden kann? Nein, denn der eben zitierte Vers aus dem Johannesevangelium lehrt uns, dass wir für einen Bruder beten müssen, wenn er eine Sünde begeht, die nicht zum Tod führt. 1.Johannes 2,1.2; Galater 6,1; Offenbarung 2,5 und viele andere Texte zeigen, dass der Mensch nicht notwendigerweise jenseits der Hoffnung ist, auch wenn er von Fehlern überwunden wird, nachdem er Christus angenommen hat und ihm vergeben worden ist. Wir müssen also verstehen, dass der „Abfall“, von dem hier die Rede ist, nicht einfach die Begehung einer falschen Handlung oder gar einen rückfälligen Zustand bedeutet, sondern eine Abkehr vom Evangelium Christi, eine Ablehnung von Christus. Da der Name Christi der einzige unter dem Himmel ist, durch den Menschen gerettet werden können, folgt daraus, dass es keine Hoffnung für einen Menschen gibt, wenn er Ihn bewusst ablehnt. Diese Tatsache veranlasste Paulus, in seinem Brief an die Galater eine so scharfe Sprache zu verwenden. Siehe Galater 1,8.9. Jeder, der ein Evangelium predigt, das seine Zuhörer dazu bringt, auf etwas anderes als Christus zu vertrauen, führt sie vorsätzlich ins ewige Verderben und ist damit des Fluches würdig. Es gibt nur einen Weg der Erlösung; wenn ein Mensch diesen absichtlich ablehnt, kann er auf keinen Fall gerettet werden. ...
Es ist gefährlich, überhaupt zu sündigen. Unsere einzige Hoffnung, nicht in die unvergebbare Sünde zu fallen, besteht darin, an den Herrn Jesus Christus zu glauben und "des Herrn würdig zu wandeln zu allem Wohlgefallen: in allem guten Werk fruchtbar und in der Erkenntnis Gottes wachsend, ..."
"Heute, wenn ihr Seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht." " Suchet den HERRN, solange Er zu finden ist; rufet Ihn an, solange Er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter seine Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird Er sich sein erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei Ihm ist viel Vergebung.
(E. J. Waggoner, Signs of the Times 14. April 1887)
Als Ergänzung: Aus „Das Leben Jesu“ von Ellen G. White:
Kurz vorher hatte Jesus zum zweiten Mal das Wunder einer Besessenenheilung an einem blinden und stummen Mann vollbracht. Sofort wiederholten die Pharisäer ihre Anklage: „Er treibt die bösen Geister aus durch ihren Obersten.“ Matthäus 9,34. Christus erwiderte ihnen deutlich: Wenn sie das Wirken des Heiligen Geistes Satan zuschrieben, trennten sie sich selbst von der Segensquelle. Wer gegen Jesus gesprochen habe, weil er dessen göttliche Herkunft nicht erkannte, könne Vergebung erhalten; denn der Heilige Geist vermag ihn dahin zu bringen, seinen Irrtum einzusehen und zu bereuen. Für jede Art von Sünde gilt; Reue und Glauben haben zur Folge, daß die Schuld des Menschen mit dem Blute Christi abgewaschen wird. Wer dagegen das Wirken des Heiligen Geistes zurückweist, verhindert dadurch selbst, daß ihm Bußfertigkeit und Glaube zuteil werden können. Gott arbeitet durch Seinen Geist am Herzen eines Menschen. Wer vorsätzlich diesen Geist zurückweist und für teuflisch erklärt, trennt die einzige Verbindung, durch die Gott sich mitteilen kann. Wird der Heilige Geist endgültig verworfen, kann Gott nichts mehr für diesen Menschen tun. {LJ 311.3}
Gott schlägt keineswegs die Augen der Menschen mit Blindheit, Er verhärtet auch nicht ihre Herzen, vielmehr sendet Er ihnen Licht, um ihre Irrtümer zu berichtigen und sie auf sicheren Wegen zu leiten. Die Zurückweisung dieses Lichtes führt jedoch zur Erblindung der geistlichen Augen und zur Verhärtung des Herzens. Oft geschieht dies allmählich und fast unmerklich. Licht erreicht die Seele durch Gottes Wort, durch Seine Diener oder unmittelbar durch das Wirken des Geistes Gottes. Bleibt aber ein einziger Lichtstrahl unbeachtet, so tritt eine teilweise Lähmung des geistlichen Wahrnehmungsvermögens ein, und die zweite Offenbarung des Lichtes wird weniger deutlich erkannt. Auf diese Weise verdichtet sich die Finsternis, bis völlige Nacht im Herzen herrscht. So erging es diesen führenden Juden. Sie waren überzeugt, daß eine göttliche Kraft Christus begleitete. Dennoch widerstrebten sie der Wahrheit und schrieben das Wirken des Heiligen Geistes Satan zu. Damit entschieden sie sich vorsätzlich für betrügerische Machenschaften. Sie lieferten sich Satan aus und wurden hinfort von seiner Macht beherrscht. {LJ 312.2}